14.01.10 – violons barbares
Durch die Steppe

Les violons barbares gastierten in der Neuen Welt. Ingolstadt.
Seit 27 Jahren existiert nun die Ingolstädter Kleinkunstbühne Neue Welt, aber Obertongesang hatte es in den Räumlichkeiten bisher nicht gegeben. Epi Enckjargal, der Sänger aus der Mongolei, der nach einer Art personifiziertem Didgeridoo klingen und auch Melodien in flirrenden Obertönen erzeugen kann, schloss nun auch diese Lücke. Er ist zusammen mit dem Trio Les Violons Barbares unterwegs, bedient die zweisaitige, wie ein Violoncello zu spielende Pferdekopfgeige, kooperiert famos mit dem Bulgaren Dimitar Gougev, der seinerseits wiederum in atemberaubenden Tempo die Gadulka traktiert, eine vertikal zu spielende Violine, während der Franzose Fabien Guyot ein ganzes Arsenal an Perkussionsinstrumenten bis hin zu diversen Salatschüsseln und zur verzinkten Wärmeflasche befehligt.

Ja, es rührt sich einiges an diesem World-Music-Abend in der Neuen Welt, das quirlige Trio schlägt völlig unbekümmert den musikalischen Bogen zwischen Orient und Okzident, erdet die vornehmlich aus Zentralasien und dem Balkan stammenden traditionellen Vorgaben mit modernen Rockarrangements bis hin zu „Purple Haze“ von Jimi Hendrix in der Zugabe, verbindet einen Ritt im gestreckten Galopp durch die Steppe akustisch mit Tanzformen aus dem Donaudelta. Wobei die drei auf der Bühne nicht nur geografisch und musikalisch keine Grenzen kennen, sondern so ganz nebenbei auch noch begnadete Musiker sind. Nun ja, Peter Gabriel, der sie zu einem festen Bestandteil seines „Seidenstraßen Projekts“ gemacht hat, weiß schon, was er an ihnen hat. Die Vorgehensweise, aus an sich meilenweit voneinander entfernt liegenden Volksmusiken durch unvoreingenommene Kombination derselben etwas gänzlich Neues zu schaffen, ist der Grundgedanke jedweder World Music. In der Theorie funktioniert das natürlich immer, in der Praxis freilich bedarf es solch waghalsiger Musiker wie hier, Leuten mit Lust am Abenteuer, die ihre Experimentierfreude aber nicht einfach blindlings ausleben, sondern auch in geregelten Bahnen lenken und nachvollziehbar machen für hiesige Ohren. Und so wird im Laufe des Abends der musikalische Ritt durch die Steppe immer mehr zu einer regelrechten rhythmischen Stampede, zu der im Vergleich etwa Khachaturians „Säbeltanz“ wie ein laues Lüftchen daher kommt.

Les Violons Barbares – wild, ungestüm, feurig, ungezügelt, vor allem aber: verteufelt gut.

Karl Leitner